Die Top 10 der “Warum Transformationen auf Basis SAFe® häufig scheitern” – Gedanken aus der Welt der Wertströme

Liebe Führungskräfte, 

von allen Methoden zur Unternehmenstransformation macht derzeit SAFe® wohl am meisten von sich reden. Eine ansprechende, informative Webseite; gut klingende, führungskräftefreundliche Rollen, ein umfassendes Schulungsprogramm sowie zahlreiche SAFe® – spezifische Zertifizierungsmöglichkeiten machen Veränderung einfach und zum Greifen nahe. 

Doch halten wir einen Moment inne … Was bedeutet SAFe® eigentlich? SAFe® steht für “Scaled Agile Framework”. Es dient dazu, agiles Arbeiten in großen Organisationen zu skalieren und effektiv zu orchestrieren.

Den Agile Teams übergeordnet sind die sog. Agile Release Trains (ART), die sich jeweils aus mehreren autonom arbeitenden Agile Teams zusammensetzen. Jeder ART ist für einen Wertstrom zuständig, also für die Generierung von Wert aus einer bestimmten Produktidee. Personell ist der ART quer zur realen Organisationsstruktur des Unternehmens gegliedert. Die Mitglieder eines ART gehören also ganz verschiedenen Abteilungen an. Die Organisationsstruktur der ARTs nennen wir deshalb virtuell.  In dieser virtuellen Struktur wird alles benötigte Know-How zusammengefasst, um mit Hilfe agiler und Lean-Methoden ein Produkt / eine Dienstleistung zu entwickeln. Die reale Organisationsstruktur des Unternehmens mit ihren Silos wie IT, Fachbereich, Vertrieb etc. bleibt dabei bestehen. Bei SAFe® sprechen wird daher gerne vom sogenannten “dual Operating System”.  Eine Programm- und Portfolioebene bilden die nächst höhere Skalierungsebene; et voilà .. liebe Führungskräfte ; die ideale “agile Organisation” ist geboren !

Das klingt erst einmal prima … doch wie sieht es in der Praxis tatsächlich aus? 

Im Folgenden meine persönlichen “Top 10 – Beobachtungen”: 

  • Weil sie in verschiedenen Abteilungen getrennt voneinander arbeiten, fühlen sich die Mitglieder eines ART dem Produkt gegenüber oft wenig verantwortlich. Die Zugehörigkeit zum Team in ihrer angestammten Abteilung zählt für sie mehr. 
  • Neue Rollen, wie z.B. die des Scrum Master als laterale Führungskraft, werden nicht ernst genommen, da sie in die reale Organisationsstruktur nicht hineinpassen. 
  • Einzelne Mitarbeiter sind häufig mit mehreren einander widersprechenden Rollen und Tätigkeiten betraut, welche teils zur virtuellen und teils zur realen Organisationsstruktur gehören. 
  • Führungskräfte besetzen gerne die Rolle des Product Owners oder Produkt Managers, kleben aber weiterhin an Ihrer Rolle als klassischer Linienmanager fest. 
  • Man versucht, die “100 % Kapazitäts-Vorausplanung” eins zu eins in die SAFe® Methodik zu übertragen. 
  • Führungskräfte scheuen den Umgang mit Komplexität und Unbestimmtheit. 
  • Die einzelnen Teams arbeiten nicht nach agilen Maßstäben. 
  • Der Umgang mit Wertströmen in der Organisation wird wenig oder kaum verstanden. 
  • Das Expertenwissen einzelner Mitarbeiter wird höher geschätzt als die kontinuierliche und gezielte Förderung kross-funktionaler Teamkompetenz. 
  • Engpässe im Wertstrom versucht man, durch Vermehrung und maximale Auslastung von “Ressourcen” (z.B. in Form von Überstunden) zu überwinden. Dabei vergisst man, über Wege nachzudenken, wie sie mit geringem Aufwand aufzulösen wären. 

Bis heute tun sich vor allem große Firmen aufgrund Ihrer bestehenden Organisationsstruktur schwer damit, ihre Transformationsvorhaben mit skalierbaren Frameworks wie SAFe® erfolgreich zu verwirklichen. 

Frameworks geben, wie der Name schon sagt, nur einen Rahmen vor. Es sind keine Blaupausen, die man dem Unternehmen einfach überstülpen kann. Wird das Transformationsvorhaben auf diese Weise falsch verstanden, kommt dabei nur Cargo-Kult*) und allseits jede Menge Frust heraus. Die angestrebte Veränderung bleibt aber aus. 

*) Unter Cargo-Kult versteht der Autor das unreflektierte Imitieren formal richtiger Handlungsweisungen, ohne dabei den dahinterliegenden, tieferen Sinn zu verstehen. 

Der erste Schritt zur Transformation besteht darin, die eigene Organisation als ein komplexes System zu begreifen, das sich durch kausal-lineare Managementmethoden nur wenig beeinflussen oder verändern lässt. Um dies zu erkennen, müssen Führungskräfte bereit sein, klassische Kommunikationsmodelle in Frage zu stellen. Die moderne Kommunikationsforschung lehrt uns, dass Menschen Informationen in ihrer Psyche stets selbst erzeugen. Überspitzt gesagt: Objektive Informationen, die von außen herangetragen werden, tragen nichts zur Kommunikation bei. Erst wenn man dieses Konzept intellektuell durchdrungen hat, erschließt sich einem das Thema Transformation in seiner vollen Bedeutung. 

Eine Transformation ist machbar. Über deren Erfolg oder Misserfolg entscheiden aber die Führungskräfte. Eine kritische Selbstreflexion und die Bereitschaft, sich fachlich und intellektuell Neuem zu öffnen und Altes bewusst zu verlernen, weisen dabei den Weg zum Erfolg. An dieser inneren Bereitschaft bemisst sich, wer in seiner Arbeit als Führungskraft aufgehen wird. 

Aus systemischer Sicht bedeutet das für Führungskräfte vor allem: am System arbeiten, nicht im System 

Werte-Macher